Donnerstag, November 01, 2007

Neue Rubrik: Freestyle Kurzgeschichten

Ich bin ja krank. Der Zahnschmerz hat sich zwar verabschiedet, hat aber sein Feld der Erkältung überlassen. Die ist mindestens genauso unschön, aber da weiß man wenigstens was man dagegen tun kann. Vitamine, heiße Milch mit Honig, Tee, Ruhe, Selbstmitleid, die ganze Palette an Hausmittelchen eben. Und weil ich den ganzen Tag mehr oder weniger im Bett verbracht hatte, lag ich in der Nacht dementsprechend wach und hab mich gewälzt. Irgendwann habe ich dann angefangen mir eine Geschichte auszudenken, einfach so, weiß auch nicht mehr warum. Das war super, denn ich bin dabei eingeschlafen. Das heißt jetzt im Umkehrschluß nicht das die Geschichte so öde war, eher würde ich sagen, dass ich es durch diese Übung geschafft habe die Anti-Schlafgedanken ("Du musst jetzt schlafen!" oder " Ne, so kannst du auf keinen Fall einschlafen!" etc.) zu verdrängen. Das Ganze hat mir irgendwie Spaß gemacht, deshalb werde ich jetzt auch hier ab und zu mal versuchen mir eine Geschichte auszudenken. Ob das so toll ist? Keine Ahnung. Ich weiß ja jetzt noch nicht was dabei rauskommt. Also los geht es.Ich habe 30 Minuten Zeit:

"Schwarz! Schwarz ist meine Lieblingsfarbe. Irgendwie denke ich schon seit geraumer Teit daran. Warum weiß ich auch nicht so recht. Mag daran liegen, das ich seit mehreren Tagen in einem dunklen, ja schwarzen Zimmer hocke und man dann wohl irgendwann an nichts anderes mehr denken kann als schwarz. Dabei lief es eigentlich ganz gut in letzter Zeit. Ich hatte wirklich Freude an meinem Praktikum. Auch wenn ich den ganzen Tag nicht viel mehr gemacht habe, als anderen Leuten dabei zu zu sehen, wie sie Dinge tun, die ich irgendwann auch gern mal tun will.
Aber immerhin weiß ich, dass das die Dinge sind, die ich später mal tun will. Da habe ich den meisten ja was voraus. Kai zum Beispiel weiß noch nicht mal, ob er sein Studium zu Ende bringen will. Aber hockt der tagelang in einem dunklen Zimmer? Nein, ich glaube nicht. So einer ist er nicht. Er ist eher jemand, der das offensiver angeht. Sich ins Leben stürzt, ablenkt, laut rumschreit, feiern geht, den gut gelaunten Tanzbär macht. Ich bin irgendwie nicht so. Schwarz eben. Ein Schwarzmaler manchmal. Mama nennt das Grübler. Papa depressiv. So unterschiedlich kann man Sachen sehen und trotzdem seit fast 40 Jahren verheiratet sein. Ich sehe Sachen gerade schwarz. Und finde das auch gerade auch echt okay. Ich meine, da macht man unverhofft seinem besten Freund die Tür auf und freut sich auf einem Abend vor der Konsole mit Döner und Bier und so etwas. Und das Erste was man aber zur Begrüßung kriegt ist nicht etwa das altbekannte Begrüßungsritual oder ein "Was geht?", nein es ist ein gewaltiger Schlag ins Gesicht. Nicht verbal, das wäre akzeptabel und nichts Neues, denn Karsten ist manchmal so. Da kriegt man aus dem Nichts sein Fett weg und muss eben seine Laune ausbaden. Ne, diesmal war es wirklich ein Faustschlag. Ins Gesicht, genauer voll auf die Nase. Es hat kurz -knack- gemacht, dann habe ich Blut in meinem Mund gespürt und bin hinten übergefallen. Als ich wieder zu mir kam, ein paar Sekunden später, hat er einfach auf mich eingetreten,immer wieder in den Magen. So schnell konnte ich garnicht reagieren oder irgendwas machen, ich hab es einfach geschehen lassen. Nach gefühlten Stunden hat er dann aufgehört, mich auf einen Stuhl gesetzt und mir ein Glas Wasser gegeben und mich angeguckt. Minutenlang, ohne ein Wort. "Los, sag schon. Erzähls mir!" hat er gesagt. "hmwass?" hab ich ihn vesucht zu fragen. "Du bist so ein egoistisches Schwein!" hat er geschrien, ist aufgestanden und abgehauen. Seitdem sitzt ich hier in meinem Zimmer, alles schwarz. Anfangs habe ich darüber nachgedacht, was er meinen könnte. Vielleicht ist er sauer, weil ich ein paar Wochen was mit Katja hatte. Aber erstens ist das Monate her und zweitens hab ich ihm das schon erzählt und er hat nur gelächelt und gesagt " Du weißt wie es läuft!", die Sache war also geklärt. Dann habe ich darüber gegrübelt was ich ihm Schlimmes verschwiegen habe. Da war aber nichts. Denn obwohl wir weiß Gott nicht viel miteinander sprechen, Typen machen das so, sagen wir uns schon die wichtigsten Dinge. Abgesehen von den Dingen, die man sowieso niemandem erzählt. Aber selbst da ist nichts dabei gewesen. Irgendwann, den genauen Zeitpunkt weiß ich nicht mehr, habe ich dann aufgehört darüber nachzudenken und habe auch aufgehört mich wohl zu fühlen in meiner Wohnung. Irgendwie habe ich immer mehr Angst bekommen, dass das wieder passieren könnte. Ich habe die Klingel abgestellt, denn wenn keiner klingelt, kann ich nicht die Tür aufmachen und so etwas passiert nicht mehr. Dann habe ich mein Telefon angestellt, denn wenn keiner anruft kann auch niemand fragen wo ich bin, warum ich nicht zur Arbeit gekommen bin oder was denn los sei. Dann habe ich alles abgedunkelt und alle Glühbirnen rausgedreht. Und seitdem ist alles schwarz. Und seitdem ist schwarz meine Lieblingsfarbe. Und mein Lieblingswort. Und mein Lieblingsessen. Schwarzbrot gibt es ja auch, oder Schwarzen Tee. Das kann man sich auch alles einfach nur vorstellen. Das kann satt machen. Seit wann ich hier sitze und über schwarz nachdenke, quasi schwarz denke, weiß ich nicht.Vielleicht eine Woche, vielleicht n Tag, vielleicht schon mehrere Monate. Keine Ahnung. Ich fühle mich wohl in meinem schwarz- doch plötzlich wird es hell. Schlagartig ist das schwarz weg. Ich höre etwas wie durch Watte. Was ist das denn? Steht da Karsten? Lacht der? "Was ist denn mit dir los? Wahnsinns Begrüßung. Machst hier einfach den Klappmann. Solltest echt weniger Rauchen. Ist nicht gut für den Kreislauf, du Idiot!"

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